Leo Tolstoj – Auferstehung

Aus der Reihe: Bücher, die sich wirklich lohnen

Leo Tolstoj: Auferstehung

Diverse Ausgaben

Es ist ein Roman von einer Klasse, die eine Kategorie für sich ist, und der Titel der Blog-Rubrik »Bücher, die sich wirklich lohnen« kann gar nicht angebrachter sein.

Leo Tolstoj, Auferstehung, CoverMoskau, Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Der in seiner Jugend hochidealistische, durch gesellschaftliche Einflüsse, vornehmlich während seiner Militärzeit, moralisch etwas heruntergekommene Fürst Nechljudow wird als Geschworener zu Gericht berufen und erkennt allmählich in einer des Raubmordes angeklagten Edelprostituierten seine einstige Jugendliebe Katjuscha wieder. Jäh und nagend geht ihm während des Prozesses auf, dass sein eigenes zweifelhaftes Verhalten ihr gegenüber einst ihre tragische Lebensbahn zu einem gerüttelt Maß verursacht hat. Er hatte ihre aufrichtige, unschuldige Liebe ausgenutzt, sich brüsk – nicht zuletzt den Rangunterschied hervorkehrend – aus dem Staub gemacht und sie mit der sich herausstellenden Schwangerschaft alleingelassen.

Der Verlauf des Prozesses, der durch einen Lapsus der Geschworenen – sie halten die Angeklagte für unschuldig, begehen aber einen schwerwiegenden Formfehler – auf eine Verurteilung zu schwerer Zwangsarbeit hinausläuft (und Nechljudows Schuld damit verdoppelt), wird für den Fürsten zum Beginn eines sittlichen Erneuerungsprozesses.

Im Licht der individuellen Krise sieht er zudem die Gesellschaft als Ganzes in ungewohnter, scharfer Beleuchtung und erkennt deren ungerechte und unsolidarische Einrichtung. Weil Nechljudow begreift, dass seine Schuld größer ist als die Katjuschas und das Urteil eigentlich ihm selbst gelten sollte, folgt er ihr und teilt ihren Leidensweg nach Sibirien.

Dass Tolstoj in seinen Schilderungen hin und wieder zu einer zu deutlichen Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung greift und manche konkrete politische Überlegung durchaus streitbar und in der einfältig anmutenden Überzeugung von der Wunderkraft des Neuen Testaments fragwürdig bleibt, mindert die grundsätzliche Kraft und Bedeutung dieses Werks nicht im mindesten. Es ist gerade die rigorose moralische Dimension in ihrem beharrlichen Insistieren, die diesem souverän komponierten, packenden Roman seine durchdringend-nachhaltige Konsequenz gibt.

Schön, handlich und gut übersetzt ist die hier abgebildete Insel-Taschenbuchausgabe mit Illustrationen von Theodor Eberle. Der Stoff wurde mehrfach verfilmt, sehr zu empfehlen ist die große, zweiteilige Version von Paolo und Vittorio Taviani aus dem Jahr 2001.

MICHAEL KLEIN