Aus der Reihe: Bücher, die sich wirklich lohnen
Carl Jonas Love Almquist: Die Woche mit Sara
Rororo, Taschenbuch
Wie angekündigt an dieser Stelle noch ein vierter Beitrag in der kleinen Reihe über die Liebe in klassisch gewordenen Novellen oder Kurzromanen, chronologisch gehen wir nach Joseph Conrads „Freya von den Sieben Inseln“ (1912), Henry Millers „Daisy Miller“ (1878) und Fjodor M. Dostojewskis „Weiße Nächte“ (1848) noch einmal ein knappes Jahrzehnt zurück und reisen im Geiste ins damalige Schweden.
Stockholm, an einem sonnigen Julitag in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein Dampfer legt ab, und unter der zufälligen Reisegesellschaft finden sich ein junger, ehrgeiziger Unteroffizier und eine junge, unaufdringlich stolze Schöne, deren Wege sich nicht vollständig unabsichtlich immer wieder kreuzen, denn man hat ein vorsichtiges Auge aufeinander geworfen.
Die Reiseziele der beiden führen eigentlich in unterschiedliche Richtungen, doch als man sich anzunähern beginnt und sich unausgesprochen einige Verliebtheit breitmacht, entscheidet der Unteroffizier kurzerhand über seine Route neu und stellt sich Fragen nach seinem zukünftigen Glück. Doch die junge Schöne erweist sich als – insbesondere für ihre Zeit – verblüffend emanzipiert, und das wunderschön entwickelte Liebesgespinst mündet im letzten Drittel des Buchs in eine lebenskluge Diskussion über Sinn und Zweck der Ehe.
Der 1839 erschienene Kurzroman „Die Woche mit Sara“ von Carl Jonas Love Almquist (1793-1866) ist ein verblüffend modernes Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau und gegen die, wie Almquist es sieht, Zwänge der Ehe, die ein freiwillig gewähltes Zusammensein in einen Zustand des Muss überführe, der der Harmonie auf Dauer oft nicht gut tue. Liebe in Freiheit sei etwas anderes als bindende Verpflichtung zum Zusammenleben. Das liest sich für einen Roman der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstaunlich kühn und durchaus klug, ist aber natürlich auch diskutabel und nicht alles, was Almquist darüber ausbreitet, ist frei von Beschönigung und Naivität. Zum besseren Verständnis sei deshalb angefügt, dass im Schweden seiner Zeit die Eheschließung noch mit der Entmündigung der Frau einherging, die dem Mann fortan unterstand.
Von den „Stützen der Gesellschaft“ seiner Zeit hatte Almquist keine hohe Meinung, und seine satirischen Porträts der „oberen Zehntausend“ oder derer, die gerne zu ihnen gehören wollen, lassen noch heute ob ihrer Charakterisierungen schmunzeln. Die bessere Gesellschaft hat sich dann freilich gerächt, dem Skandal eines Romans, in dessen Mittelpunkt eine Frau steht, die Sanftheit mit Selbständigkeit paart, folgte eine breite Rufmordkampagne, die den Autor unmöglich machen und ihn auch materiell in die Knie zwingen sollte. Natürlich ging Almquist nicht in die Knie, sondern ins Exil nach Amerika, später lebte er bis zu seinem Lebensende in Bremen. Der Roman, der seinerzeit solchen Aufruhr und solche Empörung verursachte, liest sich heute noch frisch und unverstaubt.
Michael Klein